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AutorenbildJan Koltze

Corona-App und Arbeitsrecht: Was darf mein Chef?

Seit dem 16. Juni ist die Corona-Warn-App verfügbar. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitenhmer stellen sich mit Blick auf die App verschiedene Fragen. Darf der Chef oder die Chefin beispielsweise anordnen, dass Beschäftigte die Corona-Warn-App installieren und nutzen? Und was ist mit Lohn und Gehalt, wenn die App "anschlägt" und Beschäftigte zuhause bleiben müssen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.


Darf mein Arbeitgeber mich verpflichten, die Corona-Warn-App zu installieren und zu nutzen?


Die Bundesregierung hat sich bei der Einführung der App den Grundsatz der doppelten Freiwilligkeit auf die Fahnen geschrieben. Das bedeutet, dass sowohl über die Einrichtung der App als auch über Weitergabe der Warnung, die durch die App generiert wurde, jede und jeder völlig freiwillig entscheiden soll. Das gilt auch für das Arbeitsverhältnis. Das ist auch datenschutzrechtlich geboten. So stellte auch die Datenschutzkonferenz des Bundes und der Länder (DSK) am 16. Juni 2020 zur Einführung der App fest, dass "... der Grundsatz der Freiwilligkeit nicht durch eine zweckentfremdende Nutzung untergraben werden darf. Der Zugang zu behördlichen Einrichtungen, Arbeitsstätten, Handelsgeschäften, Gastronomiebetrieben und Beherbergungsstätten, Sportstätten, etc. darf nicht vom Vorweisen der App abhängig gemacht werden. Hierbei würde es sich um eine zweckwidrige Verwendung handeln, die bereits mit dem Konzept der Freiwilligkeit nicht vereinbar ist. Eine Diskriminierung von Personen, die die App nicht anwenden, ist auszuschließen."


Hinweis: Teilweise wird vertreten, dass der Arbeitgeber die Nutzung der App im Arbeitsverhältnis auf dienstlichen Endgeräten  anordnen kann. Das widerspricht aber dem Prinzip der Freiwilligkeit. Um hier Rechtsklarheit und echte Freiwilligkeit zu erreichen, ist es dringend notwendig, dass die freiwillige Nutzung der App durch eine klare gesetzliche Regelung sichergestellt und das Anordnungsrecht der Arbeitgeber ausgeschlossen wird. Geregelt werden müsste auch, dass Beschäftigte nicht wegen der Nutzung oder Nichtnutzung benachteiligt werden dürfen und dass Beschäftigte ab Meldung der App auch finanziell abgesichert sind.


In jedem Fall muss in mitbestimmten Betrieben oder in Dienststellen der Betriebsrat oder Personalrat einbezogen werden. Der Betriebsrat bzw. der Personalrat kann mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung über die Rahmenbedingung der freiwilligen Nutzung der App treffen.


Kann der Arbeitgeber mich verpflichten, die Corona-Warn-App außerhalb der Arbeitszeit zu nutzen?


Nein, das darf er nicht. Selbst wenn man (entgegen unserer Auffassung) die Möglichkeit einer Anordnung der Nutzung der App auf einem Diensthandy annimmt: Das Weisungsrecht des Arbeitgebers erstreckt sich nicht auf die Freizeit. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber grundsätzlich keine Anweisungen erteilen kann, die den Bereich der privaten Lebensführung des Arbeitnehmers außerhalb der Arbeitszeit betreffen. Beschäftigte sind also grundsätzlich berechtigt, ihr Diensthandy außerhalb der Arbeitszeit auszuschalten. Während dieser Zeit werden keine temporären IDs gespeichert. Damit wird das Ziel der App, nämlich eine möglichst lückenlose Nachverfolgung von potenziell infizierten Kontakten, verfehlt. Hier zeigt sich schon, dass nur Freiwilligkeit der Nutzung der App zum Ziel führen kann.


Was ist, wenn ich kein Diensthandy habe? Kann mein Arbeitgeber auch anweisen/fordern, dass ich die Corona-Warn-App auf meinem privaten Handy installiere?


Der Arbeitgeber hat grundsätzlich kein Recht, auf die private Geräte der Beschäftigten zuzugreifen oder diesbezüglich Anordnungen treffen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können daher nicht verpflichtet werden, die App auf ihren privaten Geräten zu installieren und zu nutzen.


Dürfte ich die Corona-Warn-App auf einem Diensthandy installieren, ohne meinen Arbeitgeber darüber zu informieren?


Das kommt darauf an, ob es eine Vereinbarung zur privaten Nutzung von dienstlichen Geräten gibt und ob und wie diese Vereinbarung dem Umgang mit Apps insgesamt regelt. Wenn Ihnen die private Nutzung von Diensthandys ausdrücklich gestattet wurde und sie ohne Zustimmung des Arbeitgebers auf diesem Gerät eigene Applikationen installieren dürfen, gilt das erst einmal auch für die Corona-Warn-App.


Anders ist es, wenn Ihnen die private Nutzung oder das Aufspielen von Apps untersagt wurde. Wenn Sie sich nicht sicher sind, was bei Ihnen im Betrieb gilt, wenden Sie sich mit dieser Frage an ihren Betriebs- oder Personalrat. Rechtsberatung erhalten Sie bei Ihrer Gewerkschaft.


Was ist, wenn die Corona-Warn-App mich benachrichtigt, dass ich Kontakt zu einem Corona-Fall hatte? Bin ich dann verpflichtet zuhause zu bleiben?


Verpflichtet zur Selbstisolation sind sie erst dann, wenn dies von der zuständigen Behörde angeordnet wurde. Das Signal der Corona-Warn-App informiert Sie lediglich über ein erhöhtes Infektionsrisiko und die App empfiehlt (nicht verpflichtet!) den Kontakt zu Ihrem Hausarzt, dem ärztlichen Bereitschaftsdienst 116 117 oder dem Gesundheitsamt aufzunehmen. Dort sollten Sie die weitere Vorgehensweise und die Testung klären.


Ich habe eine Warnung durch die Corona-Warn-App erhalten und bereits Kontakt zu den Gesundheitsbehörden aufgenommen. Nun warte ich auf einen Test. Darf ich bis dahin der Arbeit fernblieben? Was ist in dieser Zeit mit meinem Gehalt?


Die Frage der Arbeitspflicht und des Lohnausfalls ist leider bislang nicht eindeutig gelöst, hier fehlt eine von den Gewerkschaften geforderte gesetzliche Regelung. So lässt sich nicht sagen, dass eine bloße Warnung durch die App dazu berechtigt, der Arbeit fernzublieben und dazu führt,  dass der Arbeitgeber den Lohn weiterzahlen muss. Denn ob hier ein Fall eines sogenannten persönlichen Verhinderungsgrundes vorliegt, bei dem man unter Fortzahlung des Gehalts seiner Arbeit fernbleiben kann (§ 616 BGB), ist umstritten. Zudem ist diese Möglichkeit in vielen Arbeitsverhältnissen durch arbeits- und tarifvertragliche Regelungen ausgeschlossen. Es liegt auch, wenn keine Krankheitssymptome vorliegen, kein Fall der Arbeitsunfähigkeit vor, der zu einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung berechtigt. Die Regelungen des Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG) greifen vermutlich auch noch nicht. Mangels Symptomen sind Betroffene jedenfalls keine Krankheitsverdächtigen. Ob sie Ansteckungsverdächtige sind, ist leider ebenfalls nicht gesetzlich geklärt.


Eindeutig ist also aktuell nur: Im Falle des Lohnausfalls gibt es eine staatliche Entschädigung des Verdienstausfalls, wenn sie aufgrund einer behördlichen Anordnung unter Quarantäne gestellt werden. In diesem Fall zahlt der Arbeitgeber den Lohn zwar weiter, wird dafür aber vom Gesundheitsamt entschädigt.


Der DGB und seine Gewerkschaften halten es aufgrund der bestehende Unsicherheiten für dringend notwendig, für die Zeit zwischen er Warnung und der Klärung durch die Gesundheitsbehörden oder den Arzt eine klare gesetzliche Regelung zu schaffen, damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Lohnverluste fürchten müssen.


Wer zahlt den Corona-Test, wenn die Corona-Warn-App mich benachrichtigt, dass ich Kontakt zu einem Corona-Fall hatte – und wo muss ich mich melden?


Man sollte sich nicht auf eigene Faust testen lassen, sondern erst, wenn der Hausarzt oder die Gesundheitsbehörde den Test veranlasst haben. Der Test wird dann durch die Krankenkasse bezahlt.


Ist sichergestellt, dass mein Arbeitgeber oder Dritte keine Daten von mir über die Corona-Warn-App erhält?


Die App speichert sogenannte temporäre IDs von Ihren Kontakten nur dezentral, also nur auf Ihrem Endgerät. Es werden keinerlei Standortdaten oder Kontaktdaten auf einem zentralen Server gespeichert. Das war eine zentrale Anforderung aus Datenschutzsicht, die erfüllt wurde. Allerdings ist es für die Aktivierung der App auf einigen Geräten zwingend, den Standortzugriff freizuschalten. Es ist nach Meinung einiger Experten nicht ausgeschlossen, dass andere Dienste, für die ebenfalls der Standortzugriff freigeschalten ist, auf die Standortabfrage der App zugreifen können.


An wen kann ich mich wenden, wenn ich vom Arbeitgeber Benachteiligungen oder Maßregelungen erfahre, weil ich die Corona-Warn-App nicht benutzen möchte?


Gewerkschaftsmitglieder können sich an ihre zuständige Gewerkschaft, Beschäftigte generell an den Betriebs- oder Personalrat wenden. Leider fehlt bislang die von den Gewerkschaften geforderte ausdrückliche Regelung, die Benachteiligung und Maßregelungen im Zusammenhang mit der Nutzung oder Nichtnutzung der App verbietet. Das sollte dringend nachgeholt werden. Das allgemeine Verbot, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu benachteiligen, weil sie in zulässiger Weise ihre Rechte ausüben (§ 612a BGB) ist zu allgemein gefasst, so dass es die wünschenswerte Klarheit zu dieser Frage bewirkt.

Verstöße gegen das Datenschutzrecht – dazu könnte auch zählen, wenn man zu der Nutzung der App gezwungen wird  – können auch Landesdatenschutzbeauftragten gemeldet werden. Die richtige Vorgehensweise besprechen Sie am besten mit Ihrer Gewerkschaft.



In unserem Unternehmen soll die Nutzung der Corona-Warn-App in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Kann die Belegschaft aufgrund dieser Vereinbarung zur Nutzung der App verpflichtet werden?


Auch hier gilt: jeder Nutzer und Nutzerin soll sich freiwillig für oder gegen die App entscheiden können. Das ist die wichtigste Voraussetzung für die Akzeptanz und den Erfolg der App und nur unter dieser Prämisse haben sich viele positiv geäußert. Leider wurde das nicht gesetzlich entsprechend absichernd flankiert. Deshalb ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber mit dem Betriebs- oder Personalrat für die Nutzung zwar Rahmenbedingungen der freiwilligen Nutzung vereinbaren kann, nicht aber zur Nutzung der App verpflichten.


Was ist, wenn die Corona-Warn-App bei mir einen Kontakt zu einem Corona-Infizierten meldet, ich mich um einen Test bemühe, aber kurzfristig keinen erhalte? Muss ich dann trotzdem zuhause bleiben?


Genauso wie Sie nicht verpflichtet sind, die Warnung durch die App an die Gesundheitsbehörden weiterzugeben, sind Sie auch nicht verpflichtet sind, sich selbst zu isolieren. Die App gibt Ihnen einen Hinweis über das potenziell erhöhte Ansteckungsrisiko, sie ersetzt aber nicht den Arztbesuch und die behördliche Quarantäne-Anordnung. Je nach betrieblichen Regelungen lohnt sich aber ein Hinweis an den Arbeitgeber, z.B. wenn in einer Vereinbarung geregelt ist, dass Beschäftigte in diesen Fällen von zu Hause arbeiten dürfen oder bezahlt freigestellt werden.


Wie gehe ich vor, wenn ich über die Corona-Warn-App während der Arbeitszeit eine Warnung erhalte? Muss ich den Vorgesetzen über die Meldung informieren oder ihm sogar die Meldung zeigen? Kann ich sofort zum Arzt oder kann mein Arbeitgeber verlangen, dass ich weiterarbeite?


Eine generelle Verpflichtung zur Offenlegung der Warnung durch die App gibt es nicht. Beschäftigte entscheiden grundsätzlich freiwillig, ob sie der Warnung der App folgen und die Information weitergeben, auch gegenüber dem Arbeitgeber. Es gibt allerdings besondere Tätigkeiten, in denen etwa aufgrund der Arbeit mit Risikogruppen eine erhöhte Fürsorgepflicht der Beschäftigten gegenüber ihrem Arbeitgeber oder auch etwa den Kunden des Arbeitgebers bestehen. Das ist dann der Fall, wenn mit im Rahmen seiner Tätigkeit mit  Risikogruppen in Kontakt ist, z.B. im Pflegeheim oder beim Pflegedienst. Lassen Sie sich dazu rechtlich beraten.


Wenn Sie Ihre Arbeit vorzeitig unterbrechen wollen, möchte der Arbeitgeber den Grund hierfür erfahren. In diesem Fall kommen Sie nicht darum herum, dem Vorgesetzten die App-Warnung als Ursache zu nennen und ggf. zu belegen. Ein ausdrückliches Recht, Ihre Arbeit nach der Warnung durch die App verweigern zu können, wie von den Gewerkschaften gefordert, ist leider bislang nicht geregelt. Ob sich das aus allgemeinen Vorschriften ergibt, ist rechtlich ungeklärt. Die Warnung durch die App ist ein Hinweis auf ein erhöhtes Infektionsrisiko aufgrund eines Kontaktes aus der Vergangenheit und nicht mit einer Erkrankung, die plötzlich während er Arbeitszeit auftritt gleichzusetzen. Je nach Tätigkeit ist denkbar, dass die Arbeit trotz dieses Hinweises zumutbar ist.


Die Verantwortung für die zu treffenden Arbeitsschutzmaßnahmen liegt generell beim Arbeitgeber. Es ist möglich und empfehlenswert über Betriebs- und Dienstvereinbarungen Regelungen zu diesen Fragen zu treffen.


Wenn ich weiterarbeiten muss: Wie sollte ich mich verhalten? Welche Schutzmaßnahmen müssen am Arbeitsplatz ergriffen werden?


Sie sind nicht verpflichtet, von sich aus bestimme Maßnahmen zu ergreifen. Die Verantwortung liegt hier bei Ihrem Arbeitgeber. Konkrete Maßnahmen hängen immer von der jeweiligen Tätigkeit ab.


Ich bin auf Dienstreise und während ich unterwegs bin, schlägt die Corona-Warn-App Alarm. Ich habe keine Symptome. Muss der Arbeitgeber mein Hotel bis zum Testergebnis weiterbezahlen? Muss er mir eine Verpflegungspauschale bezahlen? Wenn ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln angereist bin: Muss mir der Arbeitgeber einen Mietwagen für die Fahrt nach Hause bezahlen?


Eine Warnung durch die App ist kein Grund für eine selbst angeordnete Quarantäne, es ist lediglich ein Hinweis über einen Risikokontakt und eine Empfehlung – keine Verpflichtung! – Kontakt zum Gesundheitswesen aufzunehmen. Die App trifft keine Aussage darüber, ob Sie sich angesteckt haben, noch ordnet sie eine Quarantäne an. Erst auf Grundlage ärztlicher oder behördlicher Entscheidungen kann eine Quarantäne oder eine Krankmeldung erfolgen. Die Kosten einer selbst angeordneten Isolation können Sie dem Arbeitgeber nicht in Rechnung stellen. Anders ist es natürlich, wenn der Arbeitgeber von sich aus über die Schutzmaßnahmen entscheidet oder eine entsprechende betriebliche Regelung vorliegt.


Mein Arbeitgeber ist nun der Auffassung, dass seit der Einführung der App Corona-bezogene Arbeitsschutzmaßnahmen wie Abstands- oder Hygieneregelungen nicht mehr zwingend eingehalten werden müssen. Darf der Arbeitgeber Arbeitsschutzmaßnahmen reduzieren?


Nein, an der Verpflichtung und Verantwortung der Arbeitgeber, die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten sicherzustellen, ändern sich durch die Einführung der App nichts. Die App ersetzt keine Arbeitsschutzmaßnahmen im Betrieb. Zudem kann der Arbeitgeber die Einrichtung und Nutzung der App (nach unserer Auffassung) nicht verpflichtend anordnen.

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