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Der freie Sonntag ist keine Posse

  • klages3
  • 10. Juli
  • 3 Min. Lesezeit

Zur fadenscheinigen Empörung über das Verbot einer Jobmesse am Sonntag


Na, da ist Volkes Empörung doch garantiert: Hamburgs Bürokratie und Politik verbieten eine Jobmesse am Sonntag, weil sie keine Ausnahme vom Verbot der Sonntagsarbeit zulassen wollen. Dabei gehören staatliche Stellen wie Polizei und Zoll selbst zu den Ausstellern. Wie kleinkariert, wie lächerlich! Typisch Politik, mal wieder.

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Wirklich? Ja, das Amt für Arbeitsschutz hat die Veranstalter und Aussteller auf das Verbot der Sonntagsarbeit hingewiesen. Ja, die Wirtschaftsbehörde verweigert eine Ausnahmegenehmigung für die Sonntagsarbeit, die mit dem Abhalten der Messe am Sonntag einhergehen würde.


Und wir als SPD-Fraktion? Wir stehen dahinter. Wir sagen: Richtig so!


Denn was den konkreten Fall betrifft, so ist die Behauptung des Veranstalters, die Jobmesse könne nur an einem Sonntag erfolgreich stattfinden, schlicht falsch: In Hamburg finden jährlich dutzende Jobmessen mit zigtausenden Besucher*innen erfolgreich statt, und zwar an Werktagen. Auch der Sonnabend, an dem die allermeisten potentiellen Besucher*innen ja ebenfalls frei haben, ist kein Problem. Es gibt also schlicht keinen Grund, die Jobmesse am Sonntag machen zu müssen, außer sich einen Wettbewerbsvorteil auf Kosten der beteiligten Beschäftigten sichern zu wollen.


Aber es geht bei dem Thema um mehr, um Grundsätzliches: Warum sind wir beim Schutz des arbeitsfreien Sonntags so penibel, z.B. auch bei der Begrenzung von Ladenöffnungen auf vier Sonntage im Jahr? Müssen nicht zigtausende Arbeitnehmer*innen Sonntags arbeiten, in den Krankenhäusern, im ÖPNV, bei der Polizei, in Restaurants usw.? Warum dann nicht auch Verkäufer*innen oder Büroangestellte aller Art?


Das Verbot der Sonntagsarbeit steht im Grundgesetz. Was ursprünglich v.a. religiöse Gründe hatte und einer, durchaus konservativen, Gesellschaftspolitik entsprach – der Sonntag als der Tag, an dem die Familie zusammenkommt und -lebt – hat auch für die Gewerkschaften einen hohen Stellenwert, weil es das Leben für die Arbeitnehmer*innen planbarer und gestaltbarer macht, wenn zumindest ein Tag in der Woche nicht durch Arbeit belegt ist: Das Leben mit der Familie, den Kindern, mit Freunden, oder auch einfach die Muße für sich allein.

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Deshalb ist es seit Jahrzehnten weitgehender Konsens – und auch regelmäßige Rechtsprechung – dass Sonntagsarbeit nur dort ausnahmsweise erlaubt ist, wo die jeweilige Arbeit zwingend (auch) am Sonntag gemacht werden muss, also etwa bei Polizei und Rettungsdiensten, in Pflegeheimen und Krankenhäusern, aber auch in der Freizeitbranche wie Gastronomie und Kultur, weil deren Sinn gerade darin besteht, ihre Angebote dann zu machen, wenn die Anderen eben freie Zeit haben, um sie zu nutzen. Alles andere aber, was genauso auch an Werktagen einschließlich des Sonnabends erledigt werden kann, muss und soll an Sonntagen nicht stattfinden.


In unserer heutigen Zeit kommt noch etwas Entscheidendes hinzu: Unser modernes Leben wird immer schnelllebiger. Viele Menschen fühlen sich zunehmend gestresst, belastet, erschöpft. Die Häufigkeit psychischer Erkrankungen steigt seit Jahren stetig an, und das soziale Klima wird angespannter, gereizter. Diese Entwicklung hat mehrere Ursachen, aber eine davon ist mit Sicherheit die seit rund dreißig Jahren zunehmende Verdichtung der Leistungsanforderungen im Arbeitsleben bei gleichzeitigem Schwinden von Sicherungen in modernen Arbeitsformen und Betriebsweisen, aber auch im Sozialsystem. Wenn wir nun mit dem arbeitsfreien Sonntag ein (weiteres) zentrales Strukturelement unserer Arbeits- und Lebensweise aufgeben würden, würde dies die negativen Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden bei den meisten Menschen mit Sicherheit verstärken, und damit auch die negativen Auswirkungen auf gesellschaftliches Klima und sozialen Zusammenhalt – also das Gegenteil dessen, was wir derzeit so dringend brauchen.


Deshalb sind wir beim arbeitsfreien Sonntag so unnachgiebig, und werden es bleiben. Nicht aus starrer Verbohrtheit oder Lust auf Schikane, sondern aus guten, wohlüberlegten Gründen: Weil wir für uns alle ein gutes Leben und Zusammenleben ermöglichen wollen.



 
 
 

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